Malte Jahn (38) ist seit 10 Jahren Überzeugungstäter auf dem Wochenmarkt, dort verkauft er frische Kräuter in Hülle und Fülle. Sein Kennzeichen ist ein Strohhut, den er und seine Mitarbeiter immer bei jeder Wetterlage tragen. Wie es dazu kam erfahren Sie hier: Mit 16 Jahren startete Malte J. seine Ausbildung als Zoo-Tierpfleger und zusätzlich als Dompteur bei Hagenbeck. Die Lehrzeit in dem familiengeprägten Betrieb hat mich sehr geprägt, berichtet er und fügt hinzu, dass Zucht und Ordnung ebenso wie Zuckerbrot und Peitsche dort an der Tagesordnung waren. Davon habe er
sich so Einiges abgeschaut und mitgenommen in seine spätere Selbstständigkeit. Neun Jahre hat er als Dompteur in der Zirkus-Show in Hagenbeck’s Tierpark gearbeitet bis zu dem Zeitpunkt als sein Kollege von Tigern lebensgefährlich am Kopf gebissen wurde. Gerade weil er Tiere so liebe, war der Zeitpunkt für die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann für ihn gekommen. Malte J. kam zu folgender Überzeugung:
Zirkus hat keine Zukunft. Tiere müssen gefordert werden, physisch und emotional, das funktioniert nicht im Zoo-Zirkus. Zoos betonen gern, dass sie Arten erhalten, aber dann schalten sich Tierschützer und Politiker ein mit dem Ergebnis, dass nicht mehr gezüchtet werden darf. Der Erhalt der Arten klappt nicht, da der angebotene Platz für Tiere reglementiert wird, also verkleinert wird, und zu viele Tiere per m2 werden nicht erlaubt.
Die anstehende berufliche Veränderung sollte auf die eine oder andere Weise naturverbunden bleiben, und so besann er sich auf seine Wurzeln. Von seinem Opa und seiner Oma, lernte er vieles über das Ziehen von Kräutern im Freien und in Gewächshäusern in den Vierlanden. Die Beiden verkauften auf Wochenmärkten außerdem Obst und Gemüse und trugen stets einen Strohhut. Malte J. begeisterte sich für Kräuter und kaufte sich seinen ersten Transporter und einen kleinen Stand von seinen Dompteur-Gagen. Nachdem er sich mehr und mehr Fachwissen über Kräuter angeeignet hatte, war er schließlich soweit den Sprung auf den Wochenmarkt zu wagen.
Der Wochenmarkt ist für mich meine Lebensart geworden, die mir außerordentlich viel Spaß macht, sagt er freudestrahlend. Inzwischen ist Malte J. seit gut 10 Jahren auf Hamburgs Wochenmärkten unterwegs, beschäftigt 16 angestellte Minijobber und eine Vollzeitkraft. Alle tragen während der Arbeitszeit den obligatorischen Strohhut. Seine volle Aufmerksamkeit widmet er allen zukunftsträchtigen Themen, und so bedient er inzwischen den aktuellen Trend der Superfood-Schiene. Kräuter aus dem eigenen Gewächshaus und Schnittkräuter im Bund, oder wilden Broccoli, frische Kressen, dekorative essbare Blüten/Blumen. Natürlich darf auch ein Online-Angebot nicht fehlen. Es hat sich wirklich gut entwickelt, sagt Malte J. und freut sich über diesen Schritt neben dem Stammgeschäft.
Es macht keinen Sinn sich vor Trends zu verstecken, man muss sich stets aufs Neue erfinden. Ich schaue mir auch stets an, was meine Kollegen verändern, bin mit ihnen im Austausch und bin auch aus diesem Grund Mitglied im Landesverband des Ambulanten Gewerbes und der Schausteller Hamburg. Unser Verband arbeitet sehr effektiv, ist gut organisiert und nimmt politischen Einfluss.
Mit der Arbeit auf dem Wochenmarkt ist Malte J. glücklich und würde sich auch heute wieder dafür entscheiden. Berufsanfängern gibt er den Tipp, dass sie sich spezialisieren sollten, bestenfalls Erzeuger zu werden, das macht unabhängiger. Außerdem sollten sie wissen, dass die Kunden heute besser informiert sind, und dass es wichtig ist, gut zu beraten. Das kann man alles ohne Förderer schaffen!
In Härtezeiten wie der Corona-Pandemie, konnten wir unproblematisch weiterarbeiten und hatten guten Zulauf. Wir trugen übrigens als erster Wochenmarkthändler einen Mundschutz – damals noch selbstgenäht von meiner Mutter – und nahmen eine Vorbildfunktion ein, sagt er fröhlich. Auf die Frage, ob sich das Leben und die Arbeit nach Corona verändern wird, meint er, ich hoffe sehr, dass die Menschen wieder zu sich selbst und zu ihrem Ursprung finden, den können sie auf dem Wochenmarkt finden!
MarktStories wünscht dem Hobby-Koch und Wasserski-Fan genug Zeit dafür, ebenso für sein Faible italienische Opern zu hören, weiterhin Kräuterbücher zu lesen und die Entwicklung der Historie Hagenbeck mit ihrem unendlichen Familienzwist zu verfolgen. BGB
Das Gespräch führte Barbara Gitschel-Bellwinkel 2021, fortgesetzt im Frühjahr 2022.